Fahrerlaubnisklassen im Wandel – Automatik auf dem Siegeszug
08.10.2020 | FAHRSCHUL-NEWSZu Beginn der Motorisierung war alles noch ganz einfach. Kaum waren Dampf-, Elektro- und Benzinmotoren „handlich“ genug, wurden auch schon Anwendungen für die schnelle Fortbewegung Einzelner, den Güter- und Lastverkehr und den Mehrpersonentransport entwickelt. Mit zunehmender Serienreife erweiterte sich der Pferde- und Kutschenersatz rasant zum beliebtesten Fortbewegungsmittel überhaupt, eine Art auto-mobile Kutsche ohne Pferd, stattdessen mit Motor. Bald aber wurde die Kraftfahrzeugtechnik auch attraktiv für das Transportgeschäft. Danach, mit immer kompakteren Motoren, auch für die Beschleunigung von Zweirädern, kurz: Es entwickelten sich mit dem Motorantrieb verschiedene Kraftfahrzeuge – und mit ihnen nach und nach auch die entsprechenden Fahrerlaubnisse. Anfangs wurden 4 Klassen unterschieden: 1 (Krafträder/Motorräder), 2 (Lastkraftwagen), 3 (Personenkraftwagen). Später kamen die Klasse 4 (Kleinkrafträder) und Klasse 5 (land- oder forstwirtschaftliche Zugmaschinen/Krankenfahrstühle) dazu. Eine detaillierte Übersicht findet sich beim Kraftfahrtbundesamt (KBA).
Im Zuge des Europäischen Zusammenwachsens wurde das Fahrerlaubnisrecht – bis auf einige nationale Ausnahmen – angeglichen, aus dem traditionellen grauen „Lappen“ zunächst eine „rosa Pappe“ (Papierführerschein nach Europäischem Muster, ab 1986) und schließlich der Kartenführerschein (ab 1999), der seit 2013 jeweils nach 15 Jahren erneuert werden muss und gegen den bis 2033 alle anderen Versionen einzutauschen sind, um Namen und Passfoto regelmäßig zu aktualisieren.
Die Entwicklung der Fahrerlaubnisklassen bis 1999 zeichnet sich unterdessen durch eine immer feinere Aufteilung aus: Nachdem zunächst Klasse 1 in verschiedenen Leistungsgruppen, vom schweren zum leichten Motorrad unterteilt wurde (1, 1a und 1b), wurden aufgrund der unterschiedlichen Fahrzeuge im Güter- und Personenverkehr eigenen Klassen (D1, D) für die Fahrer von Kraftomnibussen eingerichtet. Ab 1999 greift dann die EU-weite Vereinheitlichung der Fahrerlaubnisklassen mit ihrer bis 2013 weiter differenzierten Einteilung in:
- AM, A1, A2, A für die Motorradklassen (AM bis 2013 M, S)
- B, BE für die Pkw-Klasse
- C1, C, C1E, CE für die Lkw-Klassen
- D1, D, D1E, DE für die Kraftomnibus-Klassen
- sowie L, T als nationale Klassen für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge
Als Basis für die „großen“ Klassen und wegen der ungebrochenen Beliebtheit des Autos bleibt der Erwerb der Fahrerlaubnis Klasse B eine Schlüsselqualifikation in unserer Gesellschaft. Unterdessen haben sich gerade in dieser Fahrerlaubnisklasse in jüngster Zeit die meisten Änderungen – im nationalen Recht – ergeben: Die prüfungsfreien Erweiterungen der Klassen B, die durch Eintragung einer Schlüsselzahl die Fahrerlaubnis aufwerten. Die Berechtigungen werden in der Fahrschule jeweils durch eine Fahrerschulung ohne Prüfung erworben.
Schlüsselzahlen
B 96 erweitert Klasse B auf „Fahrzeugkombinationen, bestehend aus einem Kraftfahrzeug der Klasse B und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 750 kg, sofern die zulässige Gesamtmasse der Fahrzeugkombination 3 500 kg überschreitet, aber 4 250 kg nicht übersteigt.“
B 196 erweitert Klasse B auf „Krafträder (auch mit Beiwagen) mit einem Hubraum von bis zu 125 cm3, einer Motorleistung von nicht mehr als 11 kW, bei denen das Verhältnis der Leistung zum Gewicht 0,1 kW/kg nicht übersteigt.“ – Allerdings nur für Personen ab 25 Jahren, die seit mindestens fünf Jahren die Fahrerlaubnis der Klasse B besitzen. Und Vorsicht: Diese Schlüsselzahl gilt nur in Deutschland! Selbst im EU-Ausland wird sie nicht als Fahrerlaubnis anerkannt. Wer dort trotzdem ein Kraftrad fährt, fährt ohne Fahrerlaubnis.
Schlüsselzahl 78 „Automatik-Vermerk“
Die neueste geplante Änderung wirkt sich allerdings nicht direkt auf die Fahrerlaubnis aus. Sie betrifft auch keine Erweiterung, sondern einen einschränkenden Eintrag per Schlüsselzahl. Denn wer seine praktische Prüfung auf einem Fahrzeug mit Automatik-Getriebe ablegt, darf bisher ohne eine Zusatz-Prüfung Fahrzeuge mit einer manuellen Gangschaltung nicht führen. Umgekehrt gilt das nicht. Weil der sogenannte Automatik-Vermerk aber nur in eine Richtung gilt, ist er seit langem umstritten: Eine neue „Verordnung über die Ausbildung und Prüfung auf Kraftfahrzeugen mit Automatikgetriebe“ (BR-Drs. 579/20) soll es leichter machen, den Eintrag der ungeliebten Schlüsselzahl zu verhindern. Dabei soll eine zusätzliche Fahrerschulung gewährleisten, dass die Bewerber auch bei der Prüfung auf einem Automatik-Fahrzeug durchaus in der Lage sind, ein Fahrzeug mit Schaltgetriebe zu bedienen. Die Verordnung wird demnächst dem Bundesrat als Bundesratsdrucksache 579/20 vorgelegt. Danach soll die Schlüsselzahl 197 den neuen Status belegen:
„197 Die Prüfung wurde auf einem Kraftfahrzeug mit Automatikgetriebe abgelegt und eine praktische Ausbildung zum Führen von Fahrzeugen der Klasse B mit Schaltgetriebe wurde absolviert (§ 17a FeV).“
Sollte sie demnächst beschlossen werden, dürften bald auch in den Fahrschulbetrieben Automatik-Fahrzeuge, darunter insbesondere die Elektro-Autos, zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Quelle: Degner Verlag